Diese oft gestellte Frage hat die Rechtsprechung schon vor langer Zeit einheitlich mit einem deutlichen JA! beantwortet. Ja, es ist tatsächlich gerade auch bei einfach gelagerten Verkehrsunfällen erforderlich, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Der Bundesgerichtshof hält die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe schon deswegen für erforderlich (und damit für erstattungsfähig, mithin von der Haftpflichtversicherung des Schädigers zu bezahlen), da der Geschädigte nur so überhaupt erst auf Augenhöhe mit dem Haftpflichtversicherer agieren kann; das höchste deutsche Instanzgericht spricht in diesem Kontext explizit von „Waffengleichheit“. Dem hat sich die Rechtsprechung insgesamt angeschlossen und das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. hat zum Beispiel im Jahr 2014 trefflich geurteilt:
„Auch bei einfachen Verkehrsunfällen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts von vornherein als erforderlich anzusehen. Gerade die immer unüberschaubare Entwicklung der Schadensersatzpositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssatz u. Ä. lässt es geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln.“
(OLG Frankfurt, Az. 22 U 171/13)
Die Rechtsprechung ist seither definitiv nicht überschaubare geworden. Das Gegenteil ist der Fall: so werden routinemäßig bei sämtlichen KH Versicherern die Schadenspositionen – in der Regel durch externe Dienstleister – überprüft und man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass diese Überprüfung nur das Ziel haben, die Ansprüche zu kürzen, um aus einem Schaden einen kleineren Schaden zu machen. Das Ganze hat also System.
Man muss sich nur vor Augen halten, dass es sich bei einfachen Blechschäden um ein Massengeschäft handelt, also auch kleinste Einsparungen im Einzelfall bei konsequenter Durchführung – und hierzu sind die Sachbearbeiter angewiesen – zu beträchtlichen Einsparpotenzial führen. Auf solche Kürzungen der Ausgaben sind die Versicherer auch angewiesen, da es fortdauernde Probleme bei der Generierung der Einnahmen gibt und eine Besserung nicht in Sicht ist.
Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer verdienen ihr Geld vor allem am Zinsmarkt durch Anlage der vereinnahmten Prämien ihrer Versicherten. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase sind dort aber die Gewinne nicht mehr im gewohnten Umfang zu erzielen. Eine relevante Erhöhung der Prämien kommt aufgrund der Wechselfreudigkeit der Versicherungsnehmer (der 30. November ist jedes Jahr der Stichtag) nicht in Betracht und Vergleichsportale im Internet tun ihr übriges.
Bestehen jedoch Probleme auf der Einnahmenseite, die auf absehbare Zeit nicht gelöst werden können, so wird – und so einfach ist die Welt ab und an tatsächlich – eben auf der Ausgabenseite gekürzt was geht und weit darüber hinaus. Diese Kürzungen fallen dann besonders leicht, wenn es sich bei den Geschädigten noch nicht einmal um die eigene Kundschaft sondern vielmehr um von den eigenen Kunden geschädigte Dritte handelt.
Von daher lässt sich beobachten, dass Ansprüche auch bei klarer Sach- und Rechtslage zunächst einmal abgelehnt oder gekürzt werden. Dies durchaus mit auf den ersten Blick plausiblen Erläuterungen. Nur derjenige, der von Anfang an über die tatsächliche Rechtslage informiert ist, kommt schlussendlich auch zu seinem Recht.